Test: U-he Diva, Software-Synthesizer - AMAZONA.de (2024)

Virtuell Analoger für Anspruchsvolle

11. Januar 2012

U-He Diva mit Moog-Besetzung

Da habe ich noch vor Kurzem geglaubt, Klang und Spielspaß an rechnerbasierten Software-Instrumenten werden lange noch nicht so hoch sein, wie es seit eh und je mit analogen Instrumenten ist und war. Und auf einmal kommt mir eine Diva zwischen die Finger und meine Hände tanzen auf den Tasten und mein Ohr lauscht den aus Computern ungewohnten Klängen. Kann sein, was nicht sein darf?

Zurück auf Anfang

Ein Jahr ist es her, als die Leser von Amazona den Tyrell als Studie für einen analogen Hardware-Synthesizer entwickelt und konzipiert haben. Spontan hatte sich damals Urs Heckmann – Mastermind von U-he – bereiterklärt, den Tyrell als FreewarePlugin TYRELL N6 zu entwickeln. Möglich war dies nur, weil sich der TYRELL N6 einiger Codes der DIVA bediente, den U-He parallel entwickelt hatte.

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Nun hat U-he DIVA (Dinosaur Impersonating Virtual Analogue) veröffentlicht und alle Fans der Firma konnten 2 Monate lang „Die Göttliche“ testen. Ist es U-he gelungen, die altehrwürdigen Synthesizer-Diven aus vergangenen Tagen in virtueller Form wieder aufleben zu lassen? Da habe ich meine digitalen Zweifel, aber ich lasse mich gerne überraschen.

DIVA mit geöffneter Score-Page

Wir bauen uns eine Diva

Diva setzt sich aus den erlesenen Synthesizer-Bausteinen (Oszillatoren, Filter, Hüllkurven) vom Minimoog, Jupiter-8, Juno-60 und MS20 zusammen. Ach, was waren das für Jahrgänge! Wobei der Klang des MS20 mich eigentlich immer an ein quakendes Entlein als an eine schön singende Diva erinnert hat. Naja, die Zeiten verändern sich und so manch einer findet auch an diesem Klang sein gefallen. (Ohne groß nachzudenken, fehlen mir in dieser erlesenen Liste die SEM-Module von Tom Oberheim. Was aber noch nicht ist, kann ja mit einem Update noch nachgereicht werden. Bitte!) Die einzelnen Synthesizermodule können miteinander kombiniert und ausgetauscht werden, so entstehen entweder „reinrassige“ oder hybride Synthesizermodelle – wie z.B. ein MiniJupiter oder ein MS60.

Ergänzt werden die Module von zwei LFOs, von einer Tuning- und von einer einfachen Effekt-Sektion sowie von einem Modulationskonzept, das an semimodulare Synthesizer wie den MS20 erinnert.

Die jeweiligen Synthesizer-Bausteine der analogen Klassiker wurden strukturell nachgebaut und mit sinnvollen Features ergänzt. Bei den Minimoog-Modulen lassen sich die Schwingungsformen stufenlos überblenden und können sogar moduliert werden, das Filter-Feedback ist fest eingebaut und das Filter lässt sich von 24 dB auf 12 dB umschalten. So ziehen sich durch alle Sektionen – auch der anderen Modelle – kleine aber sinnvolle Veränderungen und Liebhaber des Jupiter-6 und des Alpha Junos kommen auch noch auf ihre Kosten.
Was sich Urs Heckmann und sein Team aber dabei gedacht haben, Oszillator 1 fest mit der Filter-FM zu verknüpfen, ist mir ein Rätsel. Natürlich kann ich die Frequenz von Oszillator 1 modulieren und das Filter damit ärgern, aber gerade bei der Filter-FM stelle ich die Klänge mit dem Detune-Regler des Oszillators sehr dosiert und fein ein. Das ist bei der Diva so nicht möglich. Herr Heckmann, ich glaube, da müssen sie noch einmal ran.

Diva mit Rolandschen Modulen

U-He DIVA, derUnterschied

Um Euch – die Leser von Amazona – nicht mit Aufzählungen der Synthesizerfeatures zu langweilen, möchte ich an dieser Stelle das Modulationskonzept und die eher unauffällige Sektion namens Trimmers vertieft vorstellen.
Trimmers ist ein Eldorado für alle diejenigen, die aus Diva ein klanglich lebendiges Instrument machen wollen. Hier kann man die Oszillatoren, Filter und Hüllkurven der Göttlichen nach eigenen Wünschen und Vorstellungen tunen. Konkret bedeutet dies z.B. bei den VCOs, dass bei einem achtstimmigen Minimoog Sound (was es in der virtuellen Welt nicht alles so gibt) die 24 Oszillatoren separat voneinander verstimmt werden können. Mit jedem Tastenanschlag erklingt ein leicht anders verstimmtes Oszillator-Trio, genau so wie es bei einem achtstimmigen analogen Hardware-Instrument der Fall wäre. Durch die Verstimmung ergeben sich immer wieder neue und andersklingende Obertöne. Das Resultat ist ein wesentlich lebendiger und mit einem gewissen Eigenleben behafteter Klang. Dabei lässt sich auch noch eine Obergrenze der gesamten Verstimmung festlegen und man kann dadurch selbst bestimmen, wie stimmstabil sein Instrument ist.
Wie schon erwähnt können auch die Pulsschwingungen, die Filter und die Hüllkurven getunt werden. Möglicherweise müssen deren Klangveränderungen aber im homöopathischen Bereich liegen, denn bei der Betätigung deren Regler habe ich davon nichts mitbekommen. So wie ich bisher die Update-Schnelligkeit von U-he bei der Diva bestaunt habe, wird das wohl nicht lange dauern.

Um das einfache und intuitive Layout der analogen Klassiker nicht zu zerstören, aber dennoch klanglich flexibel zu bleiben, besitzt Diva ein simples aber effektives Modulationskonzept. Dies ist in zwei Bereiche aufgeteilt. Einmal innerhalb der einzelnen Synthesizer-Bausteine können an den üblichen Stellen die Oszillator- und Filter-Frequenz durch unterschiedliche Modulationsquellen, die von Anschlagsstärke über LFO bis hin zu einem Breath-Controller reichen, moduliert werden. Zusätzlich dazu befindet sich in der Sektion Modifications die Möglichkeit, die Oszillatoren- und Filter-FM sowie das Filter-Feedback und die Resonanz zu modulieren. Um in jedem Patch auch die jeweils zusätzlichen modulierten Parameter sofort zu identifizieren, sind diese mit einem kleinen roten Button gekennzeichnet. Damit nicht genug, die Modulationsquellen lassen sich addieren und multiplizieren, quantisieren und glätten oder einfach nur invertieren. So hat man auf einfache Weise bei U-he ein semimodulares Instrument erstellt, das sich nicht durch Patchkabel an den Klassikern orientiert, sondern eine mausgerechte Bedienung ermöglicht und gleichzeitig übersichtlich bleibt.

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Wirklich toll am Gesamtkonzept dieses Synthesizers ist die klangliche Flexibilität bei dennoch einfacher Bedienung und übersichtlichem Layout des Instruments. Alles in allem wird es mir als Benutzer der Diva einfach gemacht, selbst Sounds zu erstellen und zu programmieren. Als Anfänger beschäftige ich mich mehr mit den einzelnen Synthesizermodulen und als professioneller Sounddesigner begebe ich mich in die Tiefen der Modulations- und Trimmer-Möglichkeiten.

Die Trimmer in DIVA

Der Klang macht die Musik

Jetzt kommen wir zum spannenden Teil des Tests. Können die Synthesizerreplikate mit ihren Originalen mithalten oder entpuppt sich die Diva hier doch nur als kleine digitale Rotzgöre? Es interessiert mich in der Praxis nicht, ob ich mittels Patch Sheets den Tarkus auf der Diva tanzen lassen kann, sondern klingen und reagieren die Filter wie ihre analogen Vorbilder. Wobei mein Hauptaugenmerk auf Analog und nicht so sehr auf Vorbilder liegt.
Als erstes schmeiße ich das Minimoog-Filter an, etwas am Cutoff gedreht, die Resonanz in die Selbstoszillation geschickt und die analoge Wunsch-Sonne geht auf, wobei mit ihr auch die CPU in ungeahnte Höhen schnellt (bei nur einer Plug-in-Instanz!). Der klangliche Eindruck, einen Mini vor sich zu haben, stellt sich schnell ein. Üblicherweise fehlt bei Software-Emulationen von analogen Synthesizern eine gewisse Tiefe, die zwar beim analogen Vorbild nicht vordergründig ist, aber wenn sie nicht vorhanden ist, sofort ins Gewicht fällt. Dadurch wirken die Replikate klanglich nur zweidimensional.

Sound-Select Page in DIVA

Für mich völlig überraschend ist es bei der Diva anders. Ich habe schnell vergessen, dass ich nur an meinem Computer sitze. Die Göttliche strömt Klänge mit Wucht und Tiefe bei gleichzeitigem weichem Grundsound aus, wie ich sie von analogen Hardware-Instrumenten kenne. Besonders beeindruckt bin ich von allem perkussiven, von allen Sounds, die schnelle Hüllkurven benötigen.

Im Überschwang, hervorgerufen durch meine bisherigen Diva-Erfahrungen, greife ich zur Filter-FM. Und da wird mir bewusst, ich habe doch nur eine Maus in der Hand. Während ein Minimoog bei der Filter-FM schreit und wimmert, jault das Minimoog-Filter der Diva sanft vor sich hin. Nicht dass ich falsch verstanden werde, das Diva-Filter klingt, riecht und schmeckt analog, nur fehlt etwas Salz und genau das macht die Arbeit mit solch einem Instrument aus.
Die Filter und Oszillatoren vom Jupiter-8 haben mich dann restlos vom guten Klang überzeugt. Wenn ich die Parameter moduliere, kommt mir eine lieblich knisternde analoge Lagerfeuerwärme entgegen. Meine Lust am Sounddesign ist geweckt, auch wenn die beiden Filter sich ebenso die unsäglichen FM-Krankheiten der Minimoog-Emulation aufgehalst haben.

Und um auch die Freunde des etwas spröderen Filterdesigns zu beglücken: Der MS20 steht seinen drei Kollegen in nichts nach und macht seinen Job hervorragend. Aber das war noch nicht alles. Wenn man nämlich die Oszillator-Sektionen von Jupiter-8 und MS20 wählt, kann man sogar die von den Originalen bekannten Highpass-Filter in Reihe dazu schalten (bei den Minimoog Oszillatoren befindet sich an dieser Stelle die Mixer-Sektion).

Diva mit Mixed-Modules – hier mit einer OB-Filteranlehnung

Da die Diva es erlaubt, die einzelnen Sektionen miteinander zu mischen, können herrliche Derivate zwischen MS20 und Jupiter-8 gebildet werden. Einfach das Lowpass-Filter des Jupiter-8 hinter das Highpass-Filter des MS20 geschaltet und es ergeben sich hervorragende Filtersweeps. Das macht wirklich Spaß und wertet die Diva um weitere Prozentpunkte auf.

Auch eine Diva hat ihre Tücken

Der hervorragende Klang wird mit einer enormen CPU-Last erkauft. Auf meinem Quadcore kann ich unendliche Spuren mit Plug-ins fahren und ganze Orchester zum Leben erwecken, aber eine Instanz der Göttlichen bringt meinen Rechner sehr ins Schwitzen. Ich möchte gar nicht wissen was passiert, wenn Urs Heckmann noch eine vernünftige Oszillator- und Filter-FM ermöglicht. Natürlich ist dies bei U-he bekannt und es ist möglich durch Einstellungen in der Master Sektion die CPU-Last bei gleichzeitigen Klangeinbußen zu drosseln. Diva liegt in einer 32- und in einer 64-Bit Variante vor. Bei meinen Tests hatte ich den Eindruck, dass die 64-Bit-fähige Diva runder lief und weniger CPU verbrauchte. Aber diesen Synthesizer die CPU-Schwierigkeiten negativ anzukreiden, ist bei dem klanglichen Resultat Unsinn.
Apropos negativ! Schwierigkeiten hatte ich mit der Installation des Plug-ins. Die 64-Bit Variante wird bei meinem System nicht in den richtigen Plug-in-Ordner gelegt und musste von „Hand“ kopiert werden. Auch gab es Probleme bei der Registrierung, die aber mithilfe der mitgelieferten Installations-PDF schnell gelöst waren.

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Author: Msgr. Refugio Daniel

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